“Wir haben nie gelernt, was gute Team-Kommunikation ist!”
Dr. Beat Bühlmann im Interview mit pack & work zum Thema, was es für ein erfolgreiches virtuelles Teammanagement braucht.

Herr Bühlmann, Sie untersuchen schon seit mehreren Jahren die Arbeit von virtuellen Teams. Wann spricht man überhaupt von einem virtuellen Team?
Hierzu gibt es keine Schwarz-Weiss-Antwort. Der Virtualitäts-Level hängt von verschiedenen Faktoren ab; primär natürlich von der Distanz. Jedoch nennt man bereits das Sitzen in einem anderen Stock “virtuell” oder auch “remote”, dann nämlich, wenn sich die Teammitglieder nicht mehr einfach so von Angesicht zu Angesicht austauschen können.
Grundsätzlich kann man die Virtualität eines Teams am besten mit einem Kontinuum beschreiben: von wenig bis sehr stark virtuell. Darüber hinaus spielen Faktoren wie verschiedene Sprachen, unterschiedliche Zeitzonen, teils unterschiedliche Kulturen und grossmehrheitlich elektronische Kommunikation eine Rolle hinsichtlich der Virtualität eines Teams.
In einem Ihrer Interviews sagen Sie, dass die Zusammenarbeit in virtuellen Teams die Zukunft ist. Woran machen Sie diese Aussage fest?
Hierfür gibt es Tendenzen, gemeint sind die Megatrends. Damit meine ich technologische sowie gesellschaftliche Veränderungen, aus denen Bedürfnisse hervorgehen, die sich im Verhalten von Personen im privaten und geschäftlichen Umfeld manifestieren: Der Smartphone-Gebrauch für ein verändertes Kommunikations-, Lese- und Informationsbedürfnis sowie die Nutzung der Cloud, um jederzeit und von überall auf die Daten zuzugreifen und miteinander an einem Dokument zu arbeiten sind nur zwei Beispiele dafür.
Sie benutzen für die virtuelle Teamzusammenarbeit die Metapher des Strassenverkehrs, für den es einen Fahrausweis braucht. Welche Regeln muss ein virtuelles Teammitglied kennen, damit Sie es mit auf die Strasse nehmen?
Forschungsergebnisse zeigen, dass zwei Drittel der erfahrenen Führungskräfte bei ihrem ersten Versuch, ein virtuelles Team zu leiten, scheitern. Sie kennen das “Virtual Team Skillset” nicht, bei dem z.B. die Kommunikation grundlegend ist. Man braucht in der Kommunikation genauso wie im Strassenverkehr wenige, einfache aber klare Regeln. Im Verkehr müssen wir wissen, ob wir links oder rechts fahren. Das ist an sich keine schwierige Entscheidung, aber ohne sie ist das Chaos garantiert. Das ist auch bei nicht-virtuellen Teams bereits der Fall, aber bei virtuellen Teams nimmt die Komplexität aufgrund der unter Frage 1 erwähnten Punkten massiv zu. Das wird meistens unterschätzt. Bereits bei der Rekrutierung müsste im Weiteren auf das Virtual Team Skillset geachtet werden. Nicht jeder Ingenieur oder Buchhalter, der fachlich gut ist, kommt auch in einem virtuellen Team zurecht. Aufgrund der Distanz und der meist schwierigeren Kommunikation brauchen Virtual-Team-Mitglieder u.a. einen höheren Grad an Selbständigkeit und höhere Soft-Skills.
Was muss man als Team konkret beachten, wenn ein oder mehrere Teammitglieder neu “remote” arbeiten?
Grundsätzlich alles, was bei einem nicht-virtuellen Team wichtig ist: klare Rollen, Zuständigkeiten im Team definieren, Transparenz, Vereinbaren von Meeting- Kommunikationsregeln. Darüber hinaus muss man eben dem virtuellen Umstand Rechnung tragen: Eventuell braucht es andere Kommunikationskanäle, kollaborative Software etc.. Für eine gemeinsame “team communication driver’s license” empfehle ich einen einfachen One-Pager, der die Grundlagen regelt wie z.B. Kalender- und E-mail-Hygiene oder auch, wie zum Beispiel Versionskonflikte bei Dateien verhindert werden. Auch die Kommunikations-Kanal-Prioritäten müssen definiert werden: Wenn das Haus brennt, schicken Sie der Feuerwehr eine E-Mail? Sicher nicht. Das muss allen klar sein. Dazu gehören auch offensichtliche Punkte, die im Alltag meist vergessen gehen, wie z.B. die 3W-Regel der Kommunikation: Wer macht Was bis Wann. Jede Kommunikation sollte diese drei Elemente beinhalten.
Was kann ich als Führungskraft machen, um mein Team in der virtuellen Zusammenarbeit zu begleiten?
Im Prinzip muss man “vorne” anfangen: bei sich selber. Der Team-Leader muss sich zuerst ein minimales Virtual-Team-Management-Wissen aufbauen. Anschliessend gilt es, eine entsprechende Kultur inklusive der “team communication driver’s license” zu etablieren und eine klare Rollendefinition vorzunehmen. Und schliesslich muss eben auch der Rekrutierungsprozess so angepasst werden, um dem Virtual-Team-Skillset Rechnung zu tragen.
Herzlichen Dank Beat Bühlmann!
